Aus dem jüngsten Schaffen von Prof. Karl Fischer: DFG-Forschungsprojekt zur kristallographischen Strukturaufklärung

Gemäß kurz zurückliegender Wahrnehmung dachten laufende Projektpartner von Prof. Karl Fischer, es gäbe noch viel gemeinsame Zeit. Nun beherrscht den zurückgebliebenen Teil ausgesprochene Traurigkeit. In die Trauer um den Verlust mischt sich aber auch die Dankbarkeit für das gemeinsam Erreichte. Ein aktuell bearbeitetes Projekt möchten wir dem Kreis der Fachgesellschaft nachfolgend vorstellen.

In langjähriger Verbundenheit wandte sich Prof. Karl Fischer, einer der Nestoren der Kristallographie in Deutschland, im Jahr 2019 an Prof. Dirk C. Meyer vom Institut für Experimentelle Physik in Freiberg, um eine hochrangige wissenschaftliche Fragestellung – nämlich die Aufklärung der Atomanordnung in Kristallen und Mineralen – gemeinsam weiterzuentwickeln. Daraufhin erfolgte intensiver Austausch der Akteure. Prof. Dirk C. Meyer bezog seinen Schüler Dr. Matthias Zschornak ein, der Prof. Karl Fischer in seiner damaligen Heimat, an der Universität Saarbrücken besuchte. Im Ergebnis entstand ein Förderantrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der von den Gutachtern mit einem Förderbescheid gewürdigt wurde.

Prof. Karl Fischer war einschlägig und maßgeblich an der Implementierung und Nutzung von Forschungsgroßgeräten sowie neuartigen Entwicklungen der zugehörigen Methodik beteiligt und ist somit eine zentrale Persönlichkeit des Fachgebiets. Die im Parameter Space Concept verfolgte Methodik zur Kristallstrukturbestimmung wurde innerhalb der letzten 15 Jahre durch Prof. Karl Fischer, Prof. Armin Kirfel und Prof. Helmuth Zimmermann theoretisch ausgearbeitet, bis hin zur Anwendung formuliert und bereits an zahlreichen Beispielen für teilweise herausfordernde Probleme der Strukturlösung getestet.

Während aktuelle Methoden zur Bestimmung der atomistischen Kristallstruktur eine möglichst große Anzahl an Bragg-Reflexen benötigen, hat das neue Konzept einen entscheidenden Vorteil: Es müssen weniger Reflexe gemessen werden, um ein qualitativ hochwertigeres Modell zu berechnen. Dank des neuen Ansatzes erhält man unter den Randbedingungen gemessener Reflexintensitäten Hyperflächen – sogenannte Isoflächen – im hochdimensionalen Parameterraum, die sich an bestimmten Punkten schneiden. Diese Schnittpunkte legen die Positionen jedes Atoms der Elementarzelle fest. Ein weiterer Vorteil ist, dass dafür keine inverse Fouriertransformation benötigt wird. Nachteil der Methode: Für die Lösung hochdimensionaler Parameterproblematiken sind hohe Rechenkapazitäten erforderlich, was die Zahl der strukturellen Freiheitsgrade derzeit begrenzt.

Im gemeinsamen DFG-Projekt zum Parameter Space Concept werden verschiedene Ansätze verfolgt, um die Isoflächen im Parameterraum zu beschreiben, die notwendigen Schnitte durchzuführen und das Lösungsvolumen durch Messung ausgewählter Reflexintensitäten optimal zu begrenzen. Ein speichersparender Ansatz ist beispielsweise die lineare Parametrisierung der Isoflächen, ein speicherintensiver die Grid-basierte Berechnung der Flächen.

In den drei Jahren der Projektlaufzeit 2020–2023 wird durch diese Kooperation ein besonderes Potenzial für die Weiterentwicklung der Forschungsprogrammatik der Freiberger Arbeitsgruppe geschaffen. „Es ist für mich eine große Ehre, dass uns Prof. Karl Fischer mit seiner Expertise auf dem Gebiet der kristallographischen Strukturlösung durch seine Zuwendung unterstützt“, so Dr. Zschornak. „Wir gehen davon aus, dass wir mittels des Parameter Space Concept eine alternative Strukturaufklärungsmethode mit besonderer Aussagekraft etablieren können“, sagt Prof. Dirk C. Meyer mit Blick auf die wertvolle Unterstützung und ehrenwerte Zuwendung durch Prof. Karl Fischer, einem wissenschaftlichen Vorbild, das ihn wesentlich leitet.

Prof. Karl Fischer wird auch der gesamten Freiberger Gemeinschaft in unersetzbarer Weise fehlen. Die Gedanken der Zeichnenden sind bei den Hinterbliebenen, der Familie und den Angehörigen der wissenschaftlichen Gesellschaft. Es gilt, dankbar auf den gemeinsam zurückgelegten Weg zu blicken und fachlich Erworbenes verbunden weiterzuentwickeln. Für das nächste Heft der DGK-Mitteilungen ist eine ausführliche Darstellung des wissenschaftlichen Schaffens von Prof. Karl Fischer aus jüngerer Zeit, insbesondere zum Parameter Space Concept, dem die Unterzeichner in einem entwickelten Stadium beitreten durften, vorgesehen.

Dirk C. Meyer, Matthias Zschornak, Hartmut Stöcker, Freiberg