Happy World Chocolate Day :)

Von Tilmann Leisegang und Tina Weigel (TU Bergakademie Freiberg)

Schokolade ist nicht gleich Schokolade. Es gibt sie in unzähligen Sorten von einer Vielzahl von Herstellern. Die Hauptbestandteile, wie Kakaomasse und Kakaobutter, Zucker, Milchprodukte, Gewürze und weitere Fette, sind dabei bis auf Unterschiede in der Zusammensetzung allerdings gleich. Das, was den typischen, aber auch sortenspezifischen Charakter ausmacht, sind jedoch die Kristalle!

Bei der Schokoladenherstellung, dem sogenannten „Conchieren“, wird die Schokoladenmasse, ähnlich wie bei der Kristallzüchtung, über mehrere Stunden unter Temperatureinfluss gerührt. Dies reduziert die Feuchtigkeit, erschließt die Aromen und sorgt insbesondere dafür, dass die Kakaobutter in der richtigen kristallinen Modifikation auskristallisiert [1–4]. Dadurch entwickelt Schokolade ihren Glanz, ihr charakteristisches Knacken, ihr gleichmäßiges Aufschmelzen, ihr angenehm kühlendes Gefühl im Mund und ihr beliebtes und erwünschtes Aroma.

Schokolade ist sehr empfindlich gegenüber Zutatenvariationen, Herstellungsbedingungen und besonders Temperaturschwankungen [3]. So ist die in ihr enthaltene Kakaobutter bei ca. 5 °C fest und beginnt sich danach mit steigender Temperatur strukturell und morphologisch zu verändern, wobei sie oberhalb von ca. 36 °C komplett flüssig vorliegt. Bei Raumtemperatur ist etwa ein Viertel der Kakaobutter in Schokolade bereits in einem flüssigen Zustand, wobei der andere Teil in einer festen Phase vorliegt. Diese feste Phase wiederum kann amorph sein oder aus mehreren unterschiedlichen Modifikationen der Kakaobutter bestehen, den sogenannten Polymorphen. Die Kakaobutter kann in insgesamt sechs verschiedenen Polymorphen vorliegen, die alle eine unterschiedliche Schmelztemperatur besitzen. Das Polymorph V ist das für Schokolade am besten geeignete, da es bei Raumtemperatur stabil ist und für eine optimale Konsistenz, Haptik und Aussehen der Schokolade sorgt, bei Körpertemperatur im Mund dann aber aufschmilzt und sich das Aroma entfaltet. Mit Röntgenbeugungsmethoden (Abb. 1) können die einzelnen Polymorphe unterschieden und damit auch die Qualität der Schokolade quantifiziert [2–5] werden.

links: ein großes Schokoladenstück liegt als Probe im Inneren eines Labordiffraktometers, daneben sitzt ein grüner Plüschfrosch mit einem Jung-Kristallographen-Shirt, rechts: Pulverdiffraktogram
Abbildung 1. Mit Röngenbeugung können die kristallinen Bestandteile untersucht werden. Dafür wurde ein Stück dunkler Schokolade mit dem Bruker AXS Discover Pulverdiffraktometer (Cu-K alpha-Strahlung) mit Dectris Eiger2 Detektor untersucht (links). Das resultierende Beugungsbild (rechts, 2D-Detektorframe, Ausschnitt der Debye-Scherrer-Ringe entlang 2 theta) zeigt neben den intensitätsstarken Reflexen der enthaltenen Saccharose die schwächeren Reflexe der unterschiedlichen Polymorphe der Kakaobutter.

Röntgenbeugungsuntersuchungen können dabei helfen den Herstellungsprozess zu optimieren oder beispielsweise Lösungen für die Fettreifentstehung für die Lebensmittelindustrie zu finden [1]. Insbesondere können die sich während der Herstellung der Schokolade einstellenden kristallinen Phasen der Kakaobutter aufgeklärt und der Kristallisationsprozess wissenschaftlich untersucht werden (Abb. 2). Denn am Ende zählt Aussehen, Haptik und Geschmackserlebnis der Schokolade, die alle durch die Mikrostruktur maßgeblich beeinflusst werden.

Pulverdiffraktogramme von Schogetten, Ritter Sport, Schwarze Herrenschokolade, Milka und Marabou
Abbildung 2. Röntgenpulverdiffraktogramme verschiedener Schokoladensorten, aufgenommen mit einem Bruker AXS Discover, Pulverdiffraktometer (Cu-K alpha-Strahlung) mit Dectris Eiger2 Detektor. Die Lagen der Reflexe der Polymorphe IV und V der Kakaobutter sind markiert. Die Kristallinität der jeweiligen Schokoladensorte ist in Klammern angegeben. Es ist erkennbar, dass die Reflexe der Saccharose für alle Sorten gleich sind (links), man jedoch beim genaueren Hinsehen (rechts) Unterschiede im Anteil der Polymorphe IV und V sowie in deren Kristallinität sieht.

Leider können sich die Anteile der Polymorphe mit der Zusammensetzung der Schokolade, z.B. dem Vorhandensein von Kristallisationskeimen, der thermischen Vorgeschichte und der Umgebungstemperatur verändern. Damit ändern sich dann auch Aussehen und physikalische Eigenschaften der Schokolade. Und so können auch weiße Verfärbungen an der Oberfläche auftreten, eines der wichtigsten Qualitätsmängel in der Lebensmittelindustrie, der sogenannte Fettreif. Dieser Fettreif ist zwar unansehnlich, aber harmlos. Ursache hierfür ist die Mikrostruktur der Schokolade und die besonderen Eigenschaften der Kakaobutter. Er wird durch die flüssigen Anteile der Kakaobutter verursacht, die durch Poren im Nanometerbereich und Risse in der Schokolade an die Oberfläche wandern und dort im noch stabilerem Polymorph VI auskristallisieren [2,3]. Dies führt gleichzeitig zu einer teilweisen Auflösung der kristallinen Kakaobutter im Inneren der Schokolade und damit zu einer Erweichung. Unterdrückt werden kann dies durch eine geeignete zeitintensive thermische Behandlung, geringere Porosität der Schokolade, Lagerungstemperaturen um die 18 °C oder speziellen Zusätzen, die eine Erhöhung der Kristallinität der Kakaobutter ermöglichen und so der Verflüssigung der Kakaobutter und Erweichung der Schokolade entgegenwirken. Damit ist klar: der weiße Belag kann nicht nur als ein Zeichen von alter Schokolade gedeutet werden, sondern auch als ein Zeichen einer zu schnellen Abkühlung bei der Herstellung (Abb. 3), einer fehlenden thermischen Behandlung oder einer zu hohen Lagerungstemperatur. Schokolade ist durch kurzzeitige Erwärmung nicht verdorben, jedoch sind ihre Eigenschaften verändert.

Abbildung 3: In-situ-Röntgenpulverdiffraktometrie an einem Bruker AXS Discover (Cu-K alpha-Strahlung) mit Anton Paar DHS1100 Hochtemperaturkammer während der Erwärmung und Abkühlung von dunkler Schokolade. Demnach führt Aufwärmen und schnelles Abkühlen dazu, dass sich die Polymorphe IV und V der Kakaobutter nicht mehr auskristallisieren und so nur noch die Reflexe der Saccharose sichtbar sind.

Schokolade ist aber nicht nur für ihren guten Geschmack bekannt, sondern auch für die Verbesserung der kognitiven Leistungen. Beispielsweise fand Messerli [6] einen linearen Zusammenhang zwischen dem Schokoladenkonsum in einem Land und der Gesamtzahl der NobelpreisträgerInnen pro Einwohner. Demnach war die Schweiz sowohl bei der Zahl der Nobelpreistragenden als auch beim Schokoladenkonsum Spitzenreiter. Ein Zufall?! Es braucht etwa 0,4 kg Schokolade pro Einwohner und Jahr, um die Zahl der Nobelpreistragenden in einem Land um 1 zu erhöhen. Die minimal wirksame Schokoladendosis scheint bei 2 kg pro Jahr und Einwohner zu liegen. Es handelt sich hier allerdings nur um eine Korrelation; weitere Einflussfaktoren müssen sicherlich in Betracht gezogen werden.  Aber gibt es denn eine bessere Motivation für das Genießen von Schokolade als damit die Qualität der eigenen wissenschaftlichen Arbeiten zu erhöhen und vielleicht sogar einmal einen Nobelpreis zu gewinnen? Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hat man zukünftig sicherlich kein schlechtes Gewissen mehr, wenn die Tafel Schokolade auf dem Schreibtisch plötzlich mal wieder im Ganzen verschwunden ist!

Literatur

  1.  K. Smith, Chocolate tempering, originally presented at the Confectionery Manufacturing Expo, Brussels, Belgium, June 2006.
  2. S. K. Reinke, S.V. Roth, G. Santoro, J. Vieira, S. Heinrich, S. Palzer, ACS Appl. Mater. and Interfaces 7, 9929 (2015). DOI: 10.1021/acsami.5b02092
  3. B. J. D. Le Reverend, Modelling of the phase change kinetics of cocoa butter in chocolate and application to confectionery manufacturing, dissertation, The University of Birmingham (2009).
  4. B. J. D. Le Révérend, P. J. Fryer, S. Coles, S. Bakalis, J. Am. Oil. Chem. Soc. 87, 239 (2010). DOI: 10.1007/s11746-009-1498-9
  5. S. E. Guthrie, G. Mazzanti, S. H. J. Idziak, Eur. J. Lipid Sci. Technol. 107, 656 (2005). DOI: 10.1002/ejlt.200501178
  6. F. H. Messerli, Chocolate Consumption, Cognitive Function, and Nobel Laureates. The New England Journal of Medicine 367, 1562 (2012). DOI: 10.1056/NEJMon1211064