Rigi2000

Messung und Interpretation mechanischer Eigenschaften von Kristallen

Tagungsbericht Rigi2000

Ein Workshop des Arbeitskreises Kristallphysik am Pfingstwochenende in den Schweizer Bergen

09.-12. Juni 2000, Berghotel Rigi Kulm, Rigi, Schweiz

Die inhomogene Zusammensetzung der etwa 20 Teilnehmer, bestehend aus Theoretikern und Experimentatoren, garantierte interessante Diskussionen, wobei der Grundstein für das gute Gelingen des Workshops durch das sehr sorgfältig abgestimmte Programm gelegt wurde. Zunächst stellte der Organisator dieses Workshops, J. Schreuer, in seiner Eröffnung am Freitag Abend den Tagungsort, die berühmte Rigi im Herzen der Schweiz, geologisch und historisch von der Kontinentaldrift bis zur Erbauung des einsam auf dem Berggipfel in 1800 m.ü.M. gelegenen Hotels, vor.

Der Samstag begann mit der Vorstellung unterschiedlichster Messverfahren für die Bestimmung von elastischen Konstanten. Die Vortragenden (S. Haussühl (Schaefer- Bergmann- und Resonanz- Verfahren), U. Straube (Impuls- Echo Methode und Varianten), J. Schreuer (Ultraschall- Resonanz- Spektroskopie), H. Küppers (Brillouin- Spektroskopie), K. Knorr (Neutronenmessung), R. Miletich (Kompressibilität und Hochdruckphasenübergänge)) fesselten die Zuhörer durch experimentelle Details und mögliche Weiterentwicklungen ihrer Methode. Sie mussten sich aber anschliessend kritischen Fragen nach benötigter Kristallgrösse, der Messzeit und Auswertedauer stellen. Die Vorteile einzelner Verfahren lagen in einer einfachen Messung von Temperatur bzw. Druckabhängigkeit der elastischen Konstanten oder in einer gleichzeitigen Bestimmung der piezoelektrischen Tensorkomponenten.

Der darauffolgende Pfingstsonntag war theoretisch geprägt. Am Morgen standen gleich zwei nahtlos ineinander übergehende Vorträge über die Elastizität in Quasikristallen auf dem Programm. Zunächst erklärte P. Paufler, wie das Hooksche Gesetz in Quasikristallen durch einen phasonischen Anteil ergänzt wird. Der zweite Vortrag von H.R. Trebin gipfelte dann in einem Simulationsfilm, der das Durchwandern einer Phasonenfront im Kristall zeigte. Hiernach konnte W. Schranz das elastische Verhalten bei verschiedenartigen Phasenumwandlungen anhand zahlreicher Messresultate erläutern. Der Nachmittag gehörte dann den ab initio – Methoden, wobei K.H. Schwarz neue Ergebnisse, die das auf der Dichte-Funktionaltheorie basierende Programmpaket WIEN97 erzielte, vorstellte. Im Anschluss zeigte B. Winkler einen konkreten Vergleich von kürzlich berechneten mit gemessenen elastischen Konstanten eines niedrig symmetrischen Kristalls. Die Abweichungen innerhalb von 10% bedeuteten eine sehr gute Übereinstimmung.

Die beiden Tage waren durch lange Mittagspausen aufgelockert, die viele Teilnehmer zu ausgiebigen Wanderungen in der herrlichen Landschaft mit stets toller Aussicht auf den Vierwaldstättersee und Zugersee nutzten. Diese Wanderungen waren auch nötig, um das leckere und reichhaltige Essen umsetzen zu können. Zur Demonstration von WIEN97 konnte in den Pausen der bereitgestellte Computer genutzt werden.

Am Pfingstmontag erläuterte noch S. Haussühl, wie durch Betrachtung von Tensorinvarianten (z.B. S-Werte) oder der Temperaturabhängigkeit der elastischen Konstanten, in die numerische Unübersichtlichkeit elastischer Konstanten Ordnung gebracht werden kann. Dies belegte er sehr ausführlich durch die Präsentation zahlreicher Daten, die die Unterscheidung verschiedener Strukturtypen aufgrund ihrer elastischen Eigenschaften zuliessen. Die abschliessende Podiumsdiskussion, die unter der provokanten Fragestellung stand, ob Modellrechnungen in Zukunft das Experiment ersetzen, war leider durch die Aufbruchstimmung etwas gestört. Es wurde klar herausgestellt, dass gerade in Modellrechnungen der Einfluss von Temperatur und elektrischem Feld auf Kristalle noch problematisch ist, wohingegen Druckabhängigkeit am absoluten Nullpunkt keine Schwierigkeit bedeutet. Als Konsens zeigte sich, dass auf Messungen auch in Zukunft nicht verzichtet werden kann, dass aber theoretische Berechnungen die Interpretation der Messdaten ermöglichen können. Aber auch umgekehrt können Messdaten bei der Modellierung von Berechnungen helfen.

Mein Dank gilt neben den vielen Vortragenden vor allem J. Schreuer, dem es schon zum zweiten mal nach 1998 gelungen ist, in der tollen Rigiatmosphäre diesen harmonischen Workshop zu organisieren. Ausserdem sei der Deutschen Gesellschaft für Kristallographie und des Laboratoriums für Kristallographie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich für die finanzielle Unterstützung dieser Tagung gedankt. Die Zusammenfassungen zu den einzelnen Vorträgen werden wieder in bewährter Weise als Bericht aus den Arbeitskreisen der DGK erscheinen.

Volker Wirth (Köln)